HILFE
FÜR MALI
Ein Rückblick auf ein privates Hilfsvorhaben in Afrika
Seit unserem Start in Deutschland sind jetzt genau neun Wochen
vergangen, die uns mit zwei LKWs voller Hilfsgüter auf
dem Landweg über Marokko und Mauretanien nach Timbuktu,
der legendären Stadt am Niger-Fluß im Nordosten Malis
führte.
Für mich endet
die Reise mit dem Erreichen des Projektziels hier in Bamako,
der Hauptstadt Malis. Wir haben meinen Allrad-Magirus-LKW, ein
ehemaliges Feuerwehrfahrzeug, das wir für seinen zukünftigen
Einsatzzweck umgebaut hatten (besonderen Dank gebührt in
diesem Zusammenhang meinem Sohn Constantin für seine aufopfernde
Mithilfe), über einen Mittelsmann dem Bildungsministerium
für ein Schulprojekt in der Region Timbuktu übergeben.
Dort soll das Allrad-Fahrzeug als Schulbus eingesetzt werden.
Ein derartiges Fahrzeug
ist ein MUSS, wenn man sich im Niger-Inlands-Delta südlich
von Timbuktu bewegen will. Zwar sind in dem unwegsamen und während
der Regenzeit sicherlich kaum passierbaren Innengebiet des Nigerdeltas
kaum LKWs anzutreffen - wie sonst hätte die Besatzung einer
Floßfähre erst einmal zehn Minuten beratschlagen
müssen, welchen Fährpreis sie uns abverlangen sollte?
Sie hatte vor uns noch nie einen LKW über den Fluß
gesetzt. Andererseits saßen wir - trotz eines lokalen
Führers - für einige Stunden in einer Flußdurchfahrt
- sprich Schlammtümpel - fest, aus der wir uns nur mit
Seilwinde, Sandblechen, Allrad, Differenzialsperre und viel
Schaufeln bergen konnten. Dieses Schlammloch war so tief, dass
Jeeps oder Pick-ups wegen der Wasserhöhe hier nicht durchgekommen
wären. Anmerkung: auch die Dromedare, die hier immer noch
ihre Berechtigung für den Transport haben, hatten ihre
Schwierigkeiten!!
Von den Randgebieten
des Flußdeltas werden von Hilfsorganisationen Stichstraßen
und Pisten in das zentrale Delta gebaut. Das Ergebnis ist jedoch
bis heute, dass zwar irgendwo ein Hinweis-Schild steht: "Mopti
130 km", eine Fähre existiert, dann vielleicht noch
zwanzig Kilometer Piste, die aber in einem Dorf oder in einem
Baumateriallager endet, weil wegen diverser Reifenpannen oder
anderer technischer Defekte die High-Tech-LKWs (made in Germany)
und Baumaschinen wegen fehlender Infrastruktur und Reparaturmöglichkeit
stehen gelassen werden (müssen). Damit endet häufig
das angefangene Projekt. Die Einheimischen können selten
weiterhelfen, scheinen sie doch selten in ihrem Leben über
das nächste Dorf hinaus gekommen zu sein.
Einige Dörfer
heben sich deutlich von der Masse ab. Aus welchen Gründen
auch immer besitzen sie einen Funkmast (Handy!), haben wohl
mehrere LKW-Ladungen Farbe bekommen und besitzen auch andere
Entwicklungselemente wie Schulen, Krankenhaus, Apotheke, Polizeistation,...aber
leider nicht immer in Funktion, so dass man sich des Eindrucks
nicht erwehren kann, dass es sich teilweise um Entwicklungshilferuinen
handelt. Andere Dörfer verharren noch voll im Mittelalter.
Auf die Ausschmückung dieser Feststellung möchte ich
hier und heute verzichten.
Ein deutscher Hotelier,
den ich gestern traf, umschrieb diese Situation mit der Feststellung,
dass zwar Mali nach einer UN-Statistik zu den ärmsten Ländern
der Welt gehöre wegen des geringen Bruttosozialprodukts,
andererseits Mali wohl das Land ist, das bezogen auf seine Bevölkerungszahl
die meisten Millionäre besitzt. Und dies nicht zuletzt
wegen der - aus der UN-Statistik abgeleiteten - Hilfstätigkeit
unendlich vieler internationaler, meist staatlicher Hilfsorganisationen.
Am deutlichsten ist dies in Timbuktu zu sehen, wo nahezu auf
jedem zweiten sich bewegenden Fahrzeug ein Aufkleber einer Hilfsorganisation
prangt: von Welthungerhilfe bis USAID. Und es sind fast immer
die neuesten Toyota-Landcruiser. Trifft man vor einem Hotel
- natürlich nicht der untersten Kategorie - einen Pool
dieser weißen Landcruiser, bevorzugt in Segou, Mopti,
Timbuktu oder anderen touristisch interessanten Städten
Malis, so ist mit Sicherheit ein mehrtägiges, Millionen
Francs (CFAs) teures Seminar einer Hilfsorganisation angesetzt.
Natürlich spricht
aus diesen Zeilen eine deutliche Kritik über die Effizienz
staatlicher Hilfsprojekte, nicht über deren Zielsetzung.
Denn: Ich sitze heute
abend beim Schein einer Taschenlampe in meinem Hotelzimmer am
Rande der Hauptstadt Bamako, wo Bauarbeiter für ungefähr
1,50 Euro pro Tag (!) Sand sieben und auf die LKWs schaufeln.
Der Strom ist ausgefallen, der Notstromgenerator des Hotels
hat in den letzten Tagen seinen Geist aufgegeben und die in
der mit über 40 Grad schwülen, stehenden Luft dankbar
angenommenen Ventilatorleistung wird aus einer 12-Volt-Autobatterie
und einem kleinen Autoventilator erzeugt.
Der lokale Transport
erfolgt in alten Toyota-Kleinlieferwagen, in die Fensterlöcher
eingeschnitten sind und die dann offiziell für 22 bis 24
Personen zugelassen sind, meist aber noch überladen werden.
In Deutschland dürften darin sicherlich nicht mehr als
sieben Personen befördert werden. Auf den Straßen
Bamakos, dessen Skyline sich vom großen Dorf zur Großstadt
dank saudi-arabischer und libyscher Investitionen mausert, müssen
diese Minibusse versuchen, sich im Verkehrsgetümmel gegen
Geländewagen der oberen Mittelklasse (BMW, GMC, Toyota)
durchzusetzen. Auch ein fast blinder Beobachter muß bemerken,
dass der Kapitalismus - zumindest am Beginn einer Entwicklungsphase
seine Schattenseiten hat. Aber auch in den zehn Jahren, in denen
Mali sozialistisch war, soll es nicht viel anders gewesen sein.
Vielleicht ist es ein eher system-unabhängiges menschliches
Problem, das auf den puren Egoismus zurückzuführen
ist. Als Ergebnis ist jedenfalls eine massive Landflucht festzustellen,
da die Sogwirkung der "reichen" Vorbilder im extrem
armen ländlichen Bereich auch von idealistisch geprägten
ausländischen Helfern nicht aufgehalten werden kann. Angehörige
des amerikanischen Peace Corps, die ich schon vor vielen Jahren
in Afghanistan für ihre aufopfernde Arbeit bewundert habe,
arbeiten teilweise jahrelang bei einer sehr geringen Aufwandsentschädigung
unter lokalen Lebensbedingungen, die jetzt schon im Februar
Temperaturen von 40 bis 45 Grad im Schatten auszuhalten verlangt.
Strapaziöser als diese Temperaturen sind aber natürlich
der Lebensstandard, bei dem jedes Camping-Leben europäische
Art der reinste Luxus ist. Diese Peace Corps Angehörigen
versuchen, die Ergebnisse verfehlter Erziehungsideale, die auf
einem antiquierten französischen Schulsystem beruhen, durch
praktische Hilfe zur Eigenhilfe zu korrigieren. Leider ist der
sichtbare Erfolg wegen der geringen Zahl der Mitarbeiter viel
zu marginal zur Bewältigung der anstehenden Probleme.
Wem dies zu allgemein
gehalten ist, sei als Beispiel angeführt, daß wir
nicht nur in Mauretanien, sondern auch hier in Mali erleben
mußten, dass ein Reifen-Reparatur-Service ohne unsere
Anleitung nicht in der Lage war, einen LKW-Reifen auf einer
Sprengring-Felge zu wechseln. Wie sollen dann die Grundbedürfnisse
eines technisch orientierten Lebens befriedigt werden können?
So muß es den Besucher nicht wundern, wenn er erlebt,
dass die Wasserversorgung des Hotels, in dem ich zur Zeit lebe,
so funktioniert, dass mit Handkarren das Wasser aus dem Brunnen
am Nigerufer geholt wird. Dort wird es natürlich per Hand
und Eimer aus dem Brunnen geschöpft. Dieses (braune, ein
wenig schlammige) Wasser wird dann in Behälter und Kanister
abgefüllt, die die Duschen und die restliche Wasserversorgung
sicher stellen. Nachdenklich wird man, wenn man hört, daß
dieses Wasser aus dem Brunnen, der unterhalb eines Vororts von
Bamako liegt, auch zur Trinkwassergewinnung genommen wird. Ruhiger
wird man auch dann nicht, wenn wöchentlich einmal eine
Flasche mit 8%iger Chlorlösung in den Brunnen geschüttet
wird.
Vielleicht sollte
in Zukunft mehr Hilfe unter dem Aspekt angefangen werden, wie
man den unterentwickelten Ländern bzw. ihrer Bevölkerung
einen Weg zum Überleben aufzeigt und dies muß deutlich
vom DONNEZ MOI UN CADEAU ("Gib mir ein Geschenk")
abweichen. Auch das Aufstellen von Anti-Aids-Schildern (französisch
SIDA) wird die deutliche und tödliche Aids-Quote nicht
allein senken. Wissen und Können auf breiter Ebene ist
hier verlangt, nicht so sehr humanistische Bildungsideale früherer
Kolionialmächte oder Europa-orientierter Vorbildländer.
Nicht Goethe, Schiller, sondern Malaria, Aids, verseuchtes Trinkwasser
sind die Schlagwörter. Was nützen Bewässerungsanlagen
mit Stauwehren im Gebiet um Timbuktu, die 1970 gebaut wurden
und mit denen neue Feldflächen wunderbar bewässert
werden könnten, wenn wegen fehlender Handkurbel oder wegen
fehlenden Wissens, wie diese hergestellt / beschafft / benutzt
werden kann, man mit einem Blick auf Allah oder die Zukunft
wartet, dass wieder irgendwann ein Entwicklungshelfer vorbei
kommt?
Diese Situation öffnet
natürlich schon kurzfristig radikalen Strömungen Tür
und Tor. So raten nicht nur das Auswärtige Amt, sondern
auch einheimische Intellektuelle dringend Ausländern davon
ab, in Gebiete nördlich von Timbuktu zu reisen. Dieselben
Einheimischen erzählen aber gleichzeitig, dass sie selbst
ohne jegliche Probleme reisen könnten. Entwickelt sich
im Norden Mauretaniens und Malis eine vielleicht für Ausländer
ähnliche politische Situation wie in Somalia, Afghanistan
oder anderswo? Hinweise auf ein verstärktes amerikanisches
Engagement ließen solche Schlüsse zu.
Aber trotz all der
kritischen Anmerkungen oder gerade vielleicht wegen der eigenen
Erlebnisse ziehe ich den Schluß, dass ein steter Tropfen
den Stein höhlen kann. Auch der Einzelne kann beitragen,
die Welt zum Besseren zu verändern. Vielleicht wird durch
diesen Bericht auch der eine oder andere junge Mensch angeregt,
darüber nachzudenken, ob er einen Teil seiner Lebenserfahrung
nicht ähnlich der amerikanischen Peace Corps Angehörigen
in der tätigen Nächstenhilfe zur Eigenhilfe sammeln
möchte. Für mich jedenfalls steht fest, dass ich nach
Mali zurück kehren werde. Ziel und Ausgangspunkt für
weitere Aktivitäten wird dann nicht ein Ort mit dem für
Fernreisende magischen Namen Timbuktu sein, sondern ein kleiner,
auf unseren Karten nicht verzeichneter Ort mitten im Niger-Delta,
dessen Ortsvorsteher mich nach einigen Tagen nicht als Freund
bezeichnete, sondern als seinen "großen Bruder".
Hier glaube ich, mit dem, was ich zu leisten vermag, die größte
Effizienz in der Hilfe geben zu können. So werden bei der
nächsten Reise nach Mali für dieses kleine Dorf ganz
bestimmt handbetriebene Wasserfilteranlage im Gepäck sein,
aber nicht nur dies.
Nicht die Unlust,
Erlebtes zu reflektieren, sondern das technische Problem, dass
meine (deutsche) Kerze die Außentemperaturen nicht vertragen
hat (sie ist einfach geschmolzen) und meine Taschenlampe, bei
deren Schein ich diese Zeilen schreibe, auch ihre Batterieleistung
aufgibt, zwingt mich, diesen Bericht an dieser Stelle zu beenden.
Birgit und Christian, mit denen ich einige Hospitäler auf
der Reise nach Timbuktu besucht habe, um Medikamentenspenden
zu übergeben, arbeiten jetzt in Ghana als freiwillige Ärzte
in einem Krankenhaus. Sie werden über diese und ihre weiteren
Aktivitäten separat schreiben. Erste Reise-Eindrücke
und Informationen findet der Interessierte auf ihrer Seite www.spuren-hinterlassen.com
unter NEWS,
Für das
nächste Projekt in Mali im Herbst/Winter 2010 sind wir
auf der Suche nach Sponsoren für handbetriebene Wasseraufbereitungsanlagen.
NEU!
"Besonderer Dank geht schon jetzt an die Firma Burkhard
Mai, die uns in signifikantem Umfang mit Sachspenden für
unserer Projekt unterstützt."
Kontakt: ©
2010: Dr. Rolf Schettler
Telefon (++49)-179-4884241, Fax 05584-999765
E-mail: RolfSchettler@gmx.de
SAUBERES
TRINKWASSER FÜR EIN DORF IN MALI
Eine Fortführung eines privaten Hilfsvorhabens (Winter
2010)
Da eine andere Anreise-Route
aus politischen Gründen nach Süden kaum machbar war,
ging es auch auf dieser Reise auf dem Landweg über Frankreich,
Spanien und Marokko nach West-Afrika.
Für diese knapp
4-monatige Tour hatten wir einen Mercedes Rundhauber 911 mit
4x4 Antrieb in dreijähriger Arbeit vorbereitet, der ein
großes Fahrerhaus - auch als Schlafmöglichkeit -
besaß. Montiert war ein Aluminium-Kofferaufbau, der -
da er schmaler als das Fahrzeug war - die Möglichkeit bot,
an der gesamten Aufbauseite Halterungen für Sandbleche,
Zusatztank, Reservereifen zu befestigen und 12 Aluminium-Kisten
zu verlasten.
Somit konnten wir
diesmal genügend Ausrüstung und Hilfsgüter, darunter
auch eine Anzahl von hand-betriebenen Wasseraufbereitungsanlagen
mitnehmen.
Die Reflektionen
der Empfänger der Hilfsgüter und die positive Resonanz
derjenigen, die uns bei diesem Vorhaben unterstützten,
geben uns die Kraft, weitere Projekte zu planen.
R + M + C
www.schettler.org
Rolf@schettler.org
Dank
Unser Dank gilt zunächst
der Technik-Unterstützung, insbesondere der Fa. Westphal
in Schwiegershausen / Harz, die unsere Fahrzeuge in der Vergangenheit
in vorbildlicher Weise für diese Touren vorbereitet hat.
Daneben danken wir
aber auch vielen, die uns vor und nach der diesjährigen
Tour mit Sachspenden unterstützt haben. Hier sei für
viele S. Schmied genannt, damit wir weiter bedürftigen
Kindern Wäsche und Schuhe mitbringen können, oder
das Ehepaar Ritter, das ihre Hochzeitsfeier dazu nutzte, unter
den Hochzeitsgästen für eine Wasseraufbereitungsanlage
zu sammeln.
Aber auch andere,
wie Sylvie und Werner aus Südfrankreich, Jan und Eyke aus
Holland sowie Aziz aus Marokko und die vielen, die nicht genannt
werden wollen, halfen uns mit Rat und Tat.
Zur Zeit sind wir
im Meinungs- und Planungsaustausch mit Barry Hoffner aus Sausalito/Californien/USA,
der sich zu seinem 50. Geburtstag seinen lang gehegten Wunsch
erfüllt hat, um nach Timbuktu/Mali zu reisen. Dort beschloß
er spontan, in einen Tuareg-Dorf in der südlichen Sahara
eine Schule aufzubauen und zu führen.
Rolf Schettler, Februar
2010
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